Der Parteivorstand der SED-PDS hat gestern [04.02.9] beschlossen, die Partei nur noch PDS, also "Partei des Demokratischen Sozialismus", zu nennen. Der Parteitag wurde auf den 24. und 25. Februar vorverlegt.
Ein Reserveguthaben von über drei Milliarden Mark, so legte der Parteivorstand fest, werde an den Staatshaushalt der DDR zurückgeführt. Der Öffentlichkeit wurde eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung der SED von 1989 unterbreitet.
Das Reserveguthaben, das die Partei dem Staat übergeben will, stammt aus nicht verbrauchten Gewinnen der Parteibetriebe aus den vergangenen 20 Jahren.
(Berliner Zeitung, Mo. 05.02.1990)
Berlin (ND). Die SED gibt es nicht mehr. Am Sonntag tagte in Berlin der Parteivorstand der SED/PDS und beschloss mit großer Mehrheit, das "SED" abzulegen. Denn, so hatten es bereits zuvor auf Kreisdelegiertenkonferenzen viele Genossen der Basis deutlich gemacht: Seit dem außerordentlichen Parteitag haben sich in der Partei tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Wir - so eine immer wieder vertretene Meinung - haben uns von allem losgesagt, was mit dem Machtmonopol der SED verbunden war, haben uns eingeordnet in die Parteienlandschaft der DDR. Der radikale Bruch mit dem Geist, den Strukturen und Methoden der alten bürokratischen Staatspartei und die Tatsache, dass wir dabei sind, unsere Geschichte kritisch aufzuarbeiten und uns in einem tiefgreifenden Neuerungsprozess befinden, rechtfertigen diese Forderung der Parteibasis.
Ausdruck für den Neubeginn ist ein weiterer Beschluss, den der Vorstand an diesem Sonntag fasste. Nachdem die Mitglieder den Finanzbericht der SED für das Jahr 1989 zur Kenntnis genommen hatten, beschlossen sie einstimmig: Eine außerhalb der Bilanz liegende Summe von 3,041 Milliarden Mark, die aus nicht verbrauchten Gewinnen der Parteibetriebe der letzten 20 Jahre stammt, wird an den Staatshaushalt abgeführt.
Zu Beginn der Vorstandssitzung hatte Gregor Gysi über sein Gespräch mit Michail Gorbatschow berichtet. Insbesondere er, dass seit dieser Begegnung wieder Wärme in die Beziehungen beider Parteien gezogen sei. Alle Beschlüsse, die die Kontakte zur Bruderpartei in der Sowjetunion eingeschränkt hatten, würden für ungültig erklärt. Die Beziehungen zwischen beiden Parteien werden ab sofort auf allen Ebenen so eng wie möglich gestaltet. Hinsichtlich der Erklärung Hans Modrows zur deutschen Einheit hatte Michail Gorbatschow, wie es in einer TASS-Erklärung hieß, zum Ausdruck gebracht, dass die KPdSU den Standpunkt der PDS in dieser Frage sehr unterstützt.
Deutlich wurde in der Diskussion auf der Parteivorstandssitzung am Sonntag: Die Situation in der Partei des Demokratischen Sozialismus ist noch immer sehr differenziert, der Druck auf sie und auf einzelne Genossen nimmt zu, je näher der Termin der Volkskammerwahlen rückt. Zugleich zeigt sich aber auch, dass dort, wo der Prozess der Neuformierung durch zu zögerliches Herangehen der Vorstände zu langsam verläuft. insbesondere junge Genossinnen und Genossen von der Basis her die Initiative ergreifen. Die wichtigste Aufgabe jetzt muss es sein, die Partei weiter zu formieren, die Genossen in den Wohnparteiorganisationen zu sammeln, damit wir sachlich und kompetent in den Wahlkampf gehen können.
Die Partei des Demokratischen Sozialismus bereitet jetzt ihren Wahlparteitag vor, den der Vorstand für den 24./25. Februar nach Berlin einberufen hat. Dieser Parteitag, der zugleich der 1. Parteitag der Partei des Demokratischen Sozialismus sein wird, hat die Aufgabe, ein neues Programm und ein überarbeitetes Parteistatut zu beschließen. Entwürfe für beide Dokumente liegen dem Vorstand bereits vor, werden mit den Hinweisen der Vorstandsmitglieder überarbeitet und in den nächsten Tagen öffentlich zur Diskussion gestellt. Gleiches gilt für das Wahlprogramm der PDS zu den Volkskammerwahlen. Die Kandidaten der PDS für die Volkskammerwahlen werden vom Parteitag bestätigt.
(Neues Deutschland, Mo. 05.02.1990)
In der Einheit der Gewerkschaften, freiwillig vereinigt im gewerkschaftlichen Dachverband, wird die Möglichkeit der konsequenten Interessenvertretung aller Arbeitenden, der Frauen, der Jugendlichen und der Veteranen gesehen, heißt es in einer Erklärung des PDS-Parteivorstandes. Die Forderung des FDGB nach sofortiger Verabschiedung eines Gewerkschaftsgesetzes durch die Volkskammer findet uneingeschränkte Unterstützung. Das schließe die Veränderung der Verfassung der DDR ein. Die PDS tritt ebenfalls für das gesetzliche Verbot der Aussperrung ein. Damit seien die rechtlichen Voraussetzungen für die ungehinderte Tätigkeit der Gewerkschaften und aller Formen der Interessenvertretung der Werktätigen gesetzlich zu sichern, bevor einseitig durch das Kapital Strukturen geschaffen werden.
(Neues Deutschland, Mo. 05.02.1990)
Link zum Beschluss des Parteivorstandes