Brief an den Präsidenten der Volkskammer

Werter Herr Maleuda!

Wir, die Werktätigen des Betriebes VEB Aufbereitung tierischer Rohstoffe und Pelztierproduktion Karl-Marx-Stadt, protestieren entschieden gegen die Bedingungen zur Eingliederung der Beschäftigten des Parteiapparates der SED und der Beschäftigten des Ministeriums des Inneren in die Volkswirtschaft.

Als Anlage fügen wir ein Schreiben der Bezirksparteischule der SED in Mittweida bei und erklären hierzu unseren Standpunkt.

1.

Ein Überbrückungsgeld im Sinne des § 121 des Arbeitsgesetzbuches kann hier nicht zutreffend sein. Aus welchen Mitteln soll dieses Überbrückungsgeld gezahlt werden? Haben die bisherigen Betriebe, siehe SED oder MdI, soviel finanzielle Mittel zur Verfügung, oder wird das Überbrückungsgeld aus staatlichen finanziellen Mitteln gespeist? Diese Werktätigen haben die gleiche Qualifizierung wie einige Mitarbeiter unseres Betriebes. Durch die ungerechtfertigten hohen Gehaltsgruppen erhalten sie jetzt wieder mehr Geld als unsere Mitarbeiter.

Wo bleibt hier der Sinn der sozialistischen Gerechtigkeit? Die SED hat auf ihrem Sonderparteitag mit all ihren Fehlentschlüssen und ihrer gescheiterten Politik abgerechnet. Warum werden diese Mitarbeiter dieser gescheiterten Partei jetzt noch mit Überbrückungsgeld belohnt? Wann wird endlich damit begonnen, das verloren gegangene Vertrauen konstruktiv wieder aufzubauen?

2.

Eine langjährige verdienstvolle Tätigkeit im Parteiapparat ist im Laufe der Tätigkeit eines jeden einzelnen gesondert honoriert und prämiert worden. Es kann aber niemals mit einer langjährigen Betriebszugehörigkeit gleichgestellt werden. Die Prämissen zur langjähriges Betriebszugehörigkeit sind im Betriebskollektivvertrag verankert und werden auch aus eigenerwirtschafteten Mitteln aus dem Kultur- und Sozialfonds und Prämienfonds finanziert. Somit sind es Mittel, die die Werktätigen eines jeden Betriebes selbst erwirtschaftet haben, wogegen der Mitarbeiter des Parteiapparates keinen persönlichen Beitrag in den betrieblichen Fonds geleistet hat.

Nur deshalb kann die Betriebszugehörigkeit erst bei Aufnahme einer Tätigkeit im Betrieb beginnen.

Die unterzeichnenden Mitarbeiter
(13 Unterschriften)

aus: freie presse, Nr. 5, 06.01.1990, 28. Jahrgang, Karl-Marx-Stadt


VP-Angehöriger fordert Dementi

Über eine Verleumdung des Mdl und damit auch der Volkspolizei auf der letzten FORUM-Seite ("fp" v. 6.1., Seite 6) hat sich ein VP-Angehöriger bei den Herausgebern dieser Seite beschwert. Auf dieser Seite war ein offener Brief von 13 Werktätigen des VEB Aufbereitung Tierischer Rohstoffe an Volkskammerpräsident Maleuda abgedruckt. In diesem Brief wird gegen finanzielle Zuwendungen an ehemalige Mitarbeiter von SED und Mdl Stellung bezogen. Ich nehme an, dass die unterzeichnenden Kollegen Mdl mit MfS verwechselten und in Wirklichkeit ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit meinten. Den Protest des VP-Angehörigen gegen die Verleumdung des Mdl gebe ich hiermit an die Verfasser des genannten Briefes weiter.

Martin Böttger

aus: Forum-Seite in freie presse, Nr. 11, 13.01.1990, 28. Jahrgang, Karl-Marx-Stadt